Klimaneutrales Sachsenheim – kritisch nachgefragt
Klimaneutrales Sachsenheim – kritisch nachgefragt

Klimaneutrales Sachsenheim – kritisch nachgefragt

1. Warum ist Klimaschutz in Sachsenheim überhaupt wichtig?

Klimaschutz ist nicht nur für Sachsenheim wichtig – sondern für die ganze Welt. Generell zählen Städte in Industrienationen, wie eben auch Sachsenheim, zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Die Verantwortung zu handeln liegt also bei uns. Wir alle können aktiv werden und direkt vor unserer Haustüre einen Beitrag leisten.

Die Klimakrise und ihre Folgen sind beängstigend: Nichthandeln wird alle Lebensbereiche unserer Kinder maßgeblich einschränken. Nichtsdestotrotz können wir durch wirksamen Klimaschutz eine bessere, gesündere und lebenswertere Zukunft für uns alle schaffen.

2. Soll Sachsenheim im Alleingang die Welt retten?

Jedes Land, jede Region, jede Institution und schließlich jede:r Einzelne kann und muss dazu beitragen, die Erderwärmung soweit zu begrenzen, dass wir katastrophale Folgen abwenden. Das gilt auch für Kommunen und Städte.

Wir können nur dann glaubwürdig Klimaschutz von anderen einfordern, wenn wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen: auf kommunaler Ebene genauso wie auf staatlicher.
Die Initiative GermanZero fährt daher zweigleisig: Sie erarbeitet auf staatlicher Ebene ein Gesetzespaket, das die Einhaltung des 1,5°C-Ziels sicherstellt. Gleichzeitig unterstützt sie Kommunen dabei, bis spätestens 2035 klimaneutral zu werden.
Allein in Baden-Württemberg sind derzeit Initiativen in Schorndorf, Backnang, Aalen, Heidelberg, Mannheim, Kernen, Weinstadt und Waiblingen aktiv, die – genau wie wir – eine klimaneutrale Stadt bis spätestens 2035 fordern. Und es kommen immer neue Städte hinzu.

3. Ist CO2-Neutralität bis 2035 überhaupt möglich?

Viele Beispiele zeigen, dass es möglich und wirtschaftlich ist, wenn wir gemeinsam, rechtzeitig und konsequent handeln. In unserem Klimastadtplan werden wir Maßnahmen aufzeigen, deren Umsetzung zur Klimaneutralität bis 2035 führt.

Wir beziehen Klimaneutralität in Sachsenheim auf CO2-Emissionen nach Scope 1 und 2 (Endenergiebasierte Territorialbilanz nach BISKO, mehr dazu im Beitrag “Wege zur Klimaneutralität“). Wie sogar ganz Deutschland bis 2035 kohlenstoffneutral werden kann, zeigt eine im Oktober 2020 veröffentlichte Studie des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Viele wesentliche Maßnahmen wie beispielsweise der Ausbau erneuerbarer Energien auf mindestens 35% und die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen (z.B. das Dieselprivileg oder Subventionen für Regionalflughäfen) in Kombination mit einem angemessenen CO2-Preis von 180€ sind bereits bis 2030 umsetzbar.

4. Wie schaffen wir es, Klimaneutralität sozialverträglich zu gestalten?

Bei der Umsetzung unserer Forderungen in Sachsenheim gilt es, Menschen mit geringen Einkommen nicht zusätzlich zu benachteiligen. Der Wandel hin zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität bietet uns die Chance, soziale Aspekte neu zu denken – und so die Lebensqualität von allen zu steigern. Von sauberer Luft, mehr Platz für Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen sowie weniger Lärm durch weniger Pkw-Verkehr profitieren wir alle: Einwohner:innen, Gäste und Tourist:innen.

Ein gut ausgebauter und kostengünstiger Öffentlicher Personen-Nahverkehr, Steuerentlastungen und Zuschüsse im Bereich Wohnen sowie Zugang zu bezahlbaren gesunden Nahrungsmitteln können ein Beitrag zu sozialem Ausgleich leisten.

5. Wie wollt ihr sicherstellen, dass der Klimaschutz nicht zulasten der Artenvielfalt geht?

Arten- und Klimaschutz kann nur gemeinsam angegangen werden. Denn je vielfältiger ein Ökosystem aufgestellt ist, desto widerstandsfähiger ist es gegen die Folgen des Klimawandels. Expert:innen sprechen hier von der Resilienz.

Funktionierende Ökosysteme sind für uns lebensnotwendig: Sie sorgen unter anderem für Wasserregulierung, saubere Luft, die Bildung von Humus, das Bestäuben von Blüten und die Speicherung von Kohlenstoff in Wäldern und Mooren. Ohne sie steht unsere Nahrungsmittelproduktion auf dem Spiel.

Intakte Ökosysteme schützen nicht nur das Klima, sondern auch unsere Gesundheit. Artenvielfalt und Klimaschutz fördern wir, indem wir z.B. heimisches Saatgut und Gehölze verwenden, Flächen entsiegeln, Grünflächen zu Biotopverbünden vernetzen und ökologische Landwirtschaft fördern, die Herbizide und Pestizide verbannt sowie Monokulturen vermeidet. Es ist die Natur selbst, die strukturreiche und störungsarme Bereiche schafft.

6. Setzen wir nicht unsere Jobs und unseren Wohlstand zugunsten des Klimaschutzes aufs Spiel?

Im Gegenteil: Indem wir das Klima und damit unsere Zukunft in Sachsenheim schützen, stellen wir Gewerbe und Industrie zukunftssicher auf.
Deutschland hat die Möglichkeit, in den Bereichen erneuerbare Energien, smartes Elektrizitätsnetz, nachhaltige Wärmeversorgung, Energiespeicherung, usw. Vorreiter zu werden. Das verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil und kurbelt unsere Exportwirtschaft an.
Mit unserer klaren Zielsetzung machen wir Sachsenheim darüber hinaus zum attraktiven Standort für weitere nachhaltige Unternehmen mit Zukunft.

7. Klimaschäden kosten uns doch nichts, oder?

Klimaschäden kommen uns teuer zu stehen. Denn zu viele Treibhausgase, Luftschadstoffe und andere Umweltbelastungen schädigen unsere Gesundheit, zerstören Ökosysteme und lassen Tiere und Pflanzen aussterben. Sie führen zu wirtschaftlichen Einbußen durch Produktionsausfälle, Ernteverluste und Schäden an Gebäuden und Infrastruktur.

Für viele dieser Schäden gibt es etablierte wissenschaftliche Methoden, um sie mit einem Preisschild zu versehen. Das Umweltbundesamt verfolgt dazu einen Schadenskostenansatz: Damit wird die Höhe der Schäden geschätzt, die der Gesellschaft durch Treibhausgasemissionen und dem daraus resultierenden Klimawandel entstehen.

Danach verursacht zum Beispiel die Emission einer Tonne Kohlendioxid (CO2) im Jahr 2020 Schäden von 195 Euro. Dabei werden Wohlergehen und Wohlstand der heutigen Generationen gegenüber zukünftigen Generationen höher bewertet. Wird der Nutzen von heutigen und zukünftigen Generationen gleich hoch bewertet, liegen die Schäden sogar bei 680 Euro je Tonne CO2.

In krassem Gegensatz dazu steht der derzeit gültige CO2-Preis: In Deutschland liegt er bei nur 25 Euro pro Tonne. Bis zum Jahr 2025 soll er auf 55 Euro steigen. Aber wie gezeigt, ist selbst das deutlich zu wenig, um die entstandenen Schäden auch nur annähernd zu kompensieren.

Und noch etwas wird bei der Berechnung des Umweltbundesamts deutlich: je länger wir mit dem Klimaschutz warten, desto teurer wird er. Wollen wir unsere Kinder und Enkel finanziell nicht völlig überfordern, müssen wir uns also noch heute auf den Weg zur Klimaneutralität begeben.